Fly, Birgit, fly!

An diesem Wochenende erfüllte ich mir einen Traum und löste das einstige Weihnachtsgeschenk meiner Familie ein. Ich fuhr zu Sohni nach Stuttgart und am Samstagnachmittag stand mein Fallschirmsprung in Calw auf dem Programm.

Ich kam Freitag gut durch und eine zwischenzeitliche Anzeige von 70 Minuten Stau erwies sich glücklicherweise als Vergangenheit. Ich war fast pünktlich in Ditzingen.

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Samstagvormittag machten wir noch einen ausgiebigen Spaziergang mit zwei Geocaches. Dann aßen wir noch etwas – Sohnis Freundin hatte liebenswerterweise einen passenden Kuchen gebacken 😉

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Mittags fuhren wir dann zum Flugplatz. Wir wollten pünktlich sein, 16:00 Uhr hatte ich Termin. Außerdem konnte dadurch Sohni auch noch mal selbst springen.

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Für mich war es äußerst interessant, das Fallschirmspringen erst mal ein bisserl zu beobachten. Außerdem gab mir das Beobachten und die Erklärungen einige Sicherheit für mein bevorstehendes Ereignis.

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Alle zwanzig Minuten startete die Maschine und brachte zehn Springer in 4000 m Höhe. Dadurch wiederholte sich alle 20 Minuten das kleine Schauspiel, dass lauter bunter Fallschirme mit einem kleinen hörbaren Plop in ca. 1000 m Höhe aufgingen und dann zur Erde schwebten. Es war faszinierend, wie die Springer mit der entsprechenden Technik ganz sanft auf dem Boden landeten. Einer der Springer schraubte sich die letzten Meter mit einem tüchtigen Tempo runter und landete dann ebenso butterweich wie alle anderen.

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Zunächst beobachtete ich noch das Packen „meines“ Schirms. Es ist immer wieder erstaunlich gewesen, in welch kleinem Päckchen diese großen Schirme letztendlich stecken. 15 Minuten etwa brauchen die Jungs für das Packen, ohne dass es eilig ist.

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IMG_1289 Dann begann so langsam der Ernst für mich. Sprunganzug suchen – die waren alle so riiiiiesig! Aber ok, die Beine kann man ja krempeln 😉 Die erste Einweisung zum Verhalten in der Freifallphase, Landung üben, „Einrüsten“, erstes „Anschnallen“ und am Flugzeugmodell den Ablauf erfahren beim Absprung. Irgendwie prägte sich alles ein wie ein Film. Idealerweise nutzte ich dann noch Kontaktlinsen. Ja, und dann kam schon der Aufruf: „In zwanzig Minuten startet die Maschine. Bitte vorbereiten.“

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Zehn Springer gehen zum Rollfeld, in meiner Maschine waren zwei Tandems, Sohni als mein Fotograf und weitere fünf Springer, die eine Formation springen wollten. Der Flieger hielt an und innerhalb weniger Sekunden waren alle Zehn einsortiert. Die Jungs kennen das Procedere und sind flugs an der richtigen Stelle im Flieger. Einer sitzt mit im Cockpit, die anderen Neun passen grad so eingeschichtet in den „Laderaum“.

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Mein Tandemmaster klinkte mich mit den Karabinern ein, verband mit den Zugbändern. Ich fühlte mich fest. Auf dem Weg nach oben, der ja nur so ca. 15 Minuten dauert, dann noch einmal alle Schritte des Sprungs. Der Film lief bereits im Kopf ab und wurde noch stärker gespeichert.

Sohnis besorgte Frage, ob ich schon aufgeregt sei, konnte ich gar nicht so recht beantworten. Nein, wirklich aufgeregt war ich nicht, ich war ziemlich gefasst. Die Frage löste allerdings ein Necken seiner Kameraden aus. Sohni, der Coole. Aber heute ist er aufgeregt, aufgeregter als seine Mutter! 😉

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Auch hatte ich keine Angst. Irgendwie war das Vertrauen zu meinem Tandem-Master groß, ich wusste, was auf mich zukommt, kannte alle Schritte und war mir ja auch bewusst, dass ich nicht nur von der Teppichkante hopsen muss.

Kleine Signale des Fliegers – noch zwei Minuten – dann ein Klackern als Zeichen für die erreichte Höhe. Die Jungs öffnen langsam die Tür. Wir sind immerhin in 4000 m Höhe, es herrschen andere Druckverhältnisse. Allerdings war die Tür sowieso meist einen kleinen Spalt auf – für den permanenten Druckausgleich und natürlich auch genügend Frischluft 😉

Die Fünferformation war schnell bereit. Drei davon standen draußen auf dem Tritt und hielten sich innen an einer kleinen Kante fest, zwei standen von innen und auf ein Zeichen hin hopsten fünf Leute zugleich aus dem Flieger. Das war ein komisches Gefühl. Wenn jemand wegrennt, dann sieht man denjenigen noch ein Stück, aber hier waren die Fünf ganz plötzlich weg. Richtig weg! Und im nächsten Moment war Sohni auch weg – aber ich wusste ja, er stand nur außen am Flieger auf einem kleinen Tritt und wartete auf uns, damit er fotografieren kann. Wir waren nun dran. Erst von der kleinen Bank runter, dann rutschten wir vor auf die Kante – komisch, die Höhe sah genauso aus wie drin und mich bewegte das gar nicht. Aber es lief auch bereits der Film wieder ab. Torsten gab Sohni ein Zeichen, dass es gleich losgehe. Mir gab er die Anweisung: Arme auf die Brust, Kopf in den Nacken, Hohlkreuz und Füße nicht auf den Tritt – und dann: Ready to go!

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Ooops! So „einfach“ ist das Rausspringen? Wir flogen! Erst ein kleiner Salto, dann durfte ich die Arme etwas bewegen, fand Sohni und winkte freudestrahlend in die Kamera – ich glaube ich hab das gar nicht realisiert, dass sich das alles in 4000 m Höhe abspielte.

IMG_1742Die Geräuschkulisse der mit 200 Sachen an uns vorbeirauschenden Luft war ziemlich kräftig, 50 Sekunden lang kachelten wir bis auf 1500 m runter. Der Höhenmesser zeigte meinem „Chef am Schirm“, dass nun die Reißleine gezogen werden musste. Aus der Bauchlage kamen wir schnell in die Senkrechte.

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Ruhe. Schweben. Aber Sohni war weg! Beruhigende Worte: Ich muss mir keine Sorgen machen. Er weiß wie es geht und kommt gut runter. Er schafft das. Ein kleines Grinsen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen – dass ich da nicht selber drauf gekommen bin! 😉

Die Schirmfahrt dauert etwa vier Minuten. Ich durfte den Schirm auch mal lenken und merkte, wie leicht das geht, durch einfaches Ziehen an bestimmten Stellen eine völlig andere Richtugn zu bekommen. Es ist ja auch ein ziemliches Ding, dass man da 4000 m hoch aussteigt und da unten irgendeinen kleinen Zielkreis treffen will. Irgendwie muss das ja gehen! Auf jeden Fall konnte ich nun erst mal die schöne Landschaft, die wunderbare Sicht und auch die Ruhe genießen. Allerdings war ich bis an die Haarspitzen mit Adrenalin voll. Ich war angespannt fast bis zum Platzen. Und so ganz bequem wie im Wohnzimmersessel hängt man ja nun auch nicht im Geschirr. Aber ich fühlte mich sehr sicher.

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Dann die Landung. Wir hatten es bereits in der Luft geübt. Beim Tandem macht man ja ein Popo-Landung. Wir kamen genau auf den Zielkreis zu. Beine hoch, Landung – aber was war da? Mein rechter Fuß war nicht weit genug oben und kam in den Kies. Glücklicherweise spannte ich das Bein so gut an, dass nichts passierte. Außer, dass wir uns drehten und nicht üblicherweise vorwärts rutschten sondern die letzten Zentimeter rückwärts durch den Kies schlidderten. Aber alles kein Problem!

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Nun wich alle Anspannung von mir.

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Dieser Sprung war ein Riesen-Erlebnis. Ich habe Tage gebraucht, um alles zu verarbeiten. In der ersten Nacht danach schreckte ich mal hoch nach dem Gedanken, was wäre wenn die Haken nicht ganz verschlossen wären? So ein Unsinn! Ich verstand dann irgendwann die verschiedenen Gefühle während des Sprungs, mir wurde auch bewusst, dass die pure „Anwesenheit“ von Sohnemann in der Freifallphase mir eine enorme Beruhigung gegeben hatte – man sieht es auch auf den Bildern.

Jetzt bin ich soweit, dass ich das Ganze noch einmal wiederholen würde, um mehr zu genießen. Ich weiß ja nun wie es wirklich geht.

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Der Nachmittag klang noch in Ruhe aus. Die Sonne schien, es war warm, ich ruhte mich etwas auf unserer Decke aus und genoss noch alle zwanzig Minuten die kleinen Plops, mit denen die Schirme aufgingen und dann kunterbunt vom Himmel schwebten. Unter anderem kam auch ein Wingsuit-Springer runter.

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Danke an meinen Tandem-Master Torsten für die Sicherheit, die Ruhe und die äußerst angenehme Art, die mir viel innere Ruhe gegeben hat. Und ein großes Dankeschön an Chris und Sany für die tollen Bilder und natürlich auch für das schöne Wochenende bei Euch!

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