Dienstagabend in Berlin…

Vom Bundesverband deutscher Pressesprecher bekomme ich regelmäßig Newsletter und auch Einladungen zu diversen Veranstaltungen. Diesmal gab es ein besonderes Thema, was mich dienstlich als Datenschützer und Pressesprecher im Katastrophenschutz sehr interessierte. „Meinungsfreiheit contra Datenschutz“. Das Ganze fand als Podiumsdiskussion im Tagungszentrum der Bundespressekonferenz in Berlin, gleich schräg gegenüber dem Reichstag statt.

Eine illustre Runde als Gesprächspartner erwartete mich dort, unter anderem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger – was für ein furchtbares Namens-Wort-Ungetüm! – Loriot hatte sie ja schon auf dem Kicker.

20150421_191427_webAls frühere Justizministerin und heute Mitglied im Expertenbeirat von Google war sie für dieses Thema sicher prädestiniert, Elisabeth Kotthaus von der EU, Felix Seidel als Justiziar des Springer –Verlags und eine sehr angenehme Moderation von Dr. Butz Peters sollten die Veranstaltung echt interessant machen.

Es ging vor allem um das Recht des Vergessens im Internet und das damit verbundene Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13. Mai 2012. Für mich war es ja schon mal interessant, wie eigentlich dieses Urteil zustande kam. Ich berufe mich auch in meinen Schulungen oft darauf und zeige die Grenzen auf, aber hier kam noch richtiges Insiderwissen dazu.

20150421_193519_resizedZum Sachverhalt: Der Spanier Gonzales googelte sich einst und fand zu seinem Namen an oberster Stelle zwei Artikel von regionalen Zeitungen über ihn, die 15 Jahre früher über ihn berichtet hatten, weil er insolvent war und eine Zwangsversteigerung drohte. Diese ganze Geschichte war im Laufe der Jahres ausgestanden, er ein redlicher Bürger und hatte nichts mehr mit den damaligen Ereignissen am Hut. Er beantragte dann bei Google in Spanien die Löschung dieser Links in Verbindung mit seinem Namen. Google lehnte natürlich ab. Die Artikel selbst konnten auch nicht gelöscht werden, da sie ja zu diesem Zeitpunkt die Wahrheit abbildeten und hier die Pressefreiheit ins Spiel kam. Nach einer Klage über ein spanisches Gericht bejahte dieses das Anliegen von Gonzales. Google wollte aber immer noch nicht und zog deshalb gegen Spanien vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Ergebnis ist bekannt, Google verlor den Prozess.

Nunmehr liegen bei Google ca. 240.000 Anträge von Bürgern auf Löschung der Verknüpfung ihres Namens mit bestimmten Artikeln oder Einträgen im web vor, Google löscht ca. 40 %, die als berechtigt angesehen werden. Von Deutschland aus gibt es ca. 40.000 Anträge und hier liegt die Anerkennung auf Löschung bei ca. 50 %.

Die Diskussion war echt interessant. Die Politik glaubt, dass ein gutes Ergebnis erzielt wurde und wacht über die Durchführung, die Medien sehen es ganz anders. Der Springer-Justiziar sperrte sich gegen alle positiven Argumente. Ich hatte den Eindruck, dass hier die Presse sich auf den Schlips getreten fühlt. Ihre Artikel werden nicht mehr vollumfänglich gefunden und sie sehen sich ihrer Aufgabe und der Pressefreiheit beraubt.

Es ist eigentlich nicht so. Dieses Urteil betrifft gar nicht die Pressefreiheit, es geht lediglich darum, dass die Auffindbarkeit der Artikel bei der Suche eines Namens nicht mehr möglich ist. Bei der Suche nach dem Thema, dem Ort oder eines anderen Sachverhalts werden die Artikel dennoch gefunden.

Ich finde das Urteil richtig gut. Warum wollen wir Menschen ein Leben lang stigmatisieren, nur weil sie irgendwann mal eine Verfehlung hinter sich haben? Jugendlicher Leichtsinn, falsche Freunde, Lebenswellen – jeder hat es verdient, eine zweite Chance zu erhalten – und da sollte das Alte nicht immer wieder einholen.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger hatte viel zu sagen und gefiel mir auch gut. Ob jedoch alles so umgesetzt werden kann, was sich die Arbeitsgruppe im stillen Kämmerlein ausdenkt? Es sind da allerhand Größen der Welt vertreten, insgesamt acht Leute und unter anderem mit dem Wikipedia-Begründer. Als Konsequenzen hat die Gruppe einige Positionen erarbeitet, wie die Forderung nach Beteiligung der Inhaltsverantwortlichen in den jeweiligen Webseiten – dafür gibts bisher noch keine Rechtsgrundlage – oder auch die nachträgliche Benachrichtigung des Betreibers. Das Urteil gilt übrigens nicht nur für Google sondern für alle Suchmaschinen im Web.

Nach der Veranstaltung war noch Parlamentarischer Abend, das heißt: Häppchen und Getränke beim Small Talk der Gäste. Man kam ins Gespräch, am Tisch, mit wildfremden Menschen, und tauschte sich aus zum Thema. Es war interessant.

Nach einem halben Stündchen ging ich los, musste ja noch bis nach Hause fahren.

20150421_203216_resizedMan stelle sich vor: ein lauer Frühlingsabend in der Dämmerung, mitten in Berlin, gegenüber Reichstag und all den modernen neu gebauten Regierungsbauten an der Spree. Ich hab nur gaaaaanz tief Luft geholt und genossen! Und fotografiert! Es war sooooo schön!

20150421_204037_resized_1Ein wunderschöner Spaziergang in Richtung Friedrichstraße, an der Spree entlang und darüber hinweg. Es war wie in einer anderen Welt und ich genoss den Abend.

20150421_204131_resizedAllerdings schlug rechtunsanft auf den Boden der Tatsachen, als ich wenige Meter vom Bahnhof Friedrichstraße entfernt war und oben eine Bahn rauschte. Ooops, das war ja der RE1, mein Zug! Mist, den krieg ich nicht mehr!

20150421_204328_resized20150421_204407_resizedNächstes Erwachen: abends fährt der Zug nur noch stündlich und nicht mehr halbstündlich wie am Tage. Oh je, eine Stunde Warten auf Bahnhöfen mitten in Berlin, die mittlerweile auch schon die „Bahnsteige hochgeklappt“ hatten. Abfahrt dann um 22:00 Uhr in Ostbahnhof, kurz nach halb 11 in Fürstenwalde und weiter mit dem Zug bis Frankfurt. Ankunft 23:20 Uhr!

Aber toll wars!

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