Radiowelten

Nach all den faszinierenden Eindrücken vom Fernsehen dachte ich, dass Radio jetzt eigentlich langweilig werden wird. Aber weit gefehlt!

Das Funkhaus des WDR war einst das erste Gebäude des Senders. Gleich vom Foyer des Eingangsbereiches kommt man in den Klaus-von-Bismarck-Saal, ein Konzertsaal, in dem Aufnahmen mit renommierten Orchestern aufgezeichnet werden. Plätze gibt es dort für ca. 600 Zuhörer. Klaus von Bismarck war übrigens der dritte Intendant des WDR.

Insgesamt gibt es vier Ensembles im WDR.

Eingangsbereich des Funkhauses

Radio wird eigentlich in Studios produziert, die als „Glaskasten“ in einem Großraumbüro eingefügt sind. Deshalb sind diese Studios auch für Gäste nicht zugänglich. Aber wir durften in ein Hörspielstudio, das Studio 3.

Hörspiele gibt es bereits seit 1920. Auch wenn heute nicht mehr so viele Hörspiele gehört werden, gibt es immer noch bis zu 80 Neuproduktionen im Jahr. Gerade blinde Menschen hören sie noch häufig.

Die Frage nach dem Unterschied von Hörbuch und Hörspiel war schnell aufgeklärt. Das Hörbuch wird von einem Schauspieler gelesen, das Hörspiel ist ein künstlerisch vertontes, oft von mehreren Schauspielern gesprochenes und mit vielen speziellen akustischen Effekten gestaltetes Stück Hörgenuss.

So ein Hörspiel wird immer in der Länge von 55 Minuten produziert, dafür braucht man 10-12 Arbeitstage. Die Schauspieler – und es sprechen immer ausgebildete Schauspieler ein, damit sie auch die entsprechenden Emotionen einbringen können – brauchen ca. drei Tage, danach erfolgt der Zusammenschnitt in der Regie.

Kabine für das Einsprechen der Texte

Für das Einsprechen gibt es eine extra Kabine. Die ist schalldicht mit Wandelementen zusammengestellt, die durch die verschiedenen Wand-Beschichtungen auch entsprechende Raumsituationen suggerieren. Es ist faszinierend, welche Mittel zum Einsatz kommen. Die Tische haben schallschluckende Materialien, viele Löcher und werden bei Bedarf noch mit einer Decke abgedeckt. Je nach gewünschter Situation. Gespräche im Wohn- oder Schlafzimmer sind intimer als Gespräche im Treppenhaus oder außen. Immer muss die entsprechende Akustik gewählt werden.

Auch haben die Fußböden im Studio verschiedene Oberflächen. Da sind zum einen Fliesen, Holz oder auch Teppich. Die Treppen sind verschieden belegt und es gibt auch verschiedene Elemente im Raum, die dann zum Beispiel ein Türöffnen, Schranktürenöffnen oder Geschirrklappern suggerieren.

Übrigens nimmt jeder Schauspieler seine eigenen Schritte auf, da jeder ein anderes Gangbild hat und wenn man das aus der Konserve nehmen würde, fiele es wohl relativ schnell auf, dass es immer das gleiche ist.

Gleich nebenan ist der sogenannte Schalltote Raum. Er ist mit verschiedneen Bodenbelägen ausgelegt und hat dick isolierte Wände. Es soll überall 50 cm dicke Dämmung hinter der Kassettenverkleidung stecken. Es ist mucksmäuschenstill darin. Das Verrückte ist jedoch, dass man in dem Raum die Illussion hat, dass jemand sich laufenderweise entfernt und man dies auch wirklich so empfindet. Bis zu 300 m kann man auf diese Weise implizieren.

Einer aus unserer Gruppe ging vielleicht acht Meter weiter um die Ecke und brüllte in die Wand hinein. Wir hörten es nur ganz ganz leise, als würde es sehr weit entfernt sein.

In diesem Raum dürfen die Schauspieler nur ca. 30 min lang arbeiten, da durch diese extreme Ruhe unter anderem Kopfschmerzen auftreten.

Ich probierte das Laufen auf dem Kiesstreifen, der mit einem Teppich belegt wurde. Es hörte sich an, als sei ich im tiefsten Winter und würde über Schnee laufen. Auch wurde uns gezeigt, wie verschiedene Geräusche hergestellt werden. Altes Kassettenband, dass als Knäuel zusammengeruschelt war, hörte sich beim verschieden intensiven Reiben zwischen den Händen wie Wind, Regen, ein Spaziergang durch den Laubwald oder sogar Lagerfeuer an. Ich habe mir noch nie Gedanken dazu gemacht, dass diese Geräusche von der Akustik so nah beieinander liegen.

Amüsiert haben wir uns über eine Kulisse in diesem Raum. Eine gelbe Telefonzelle stand dort. Sie soll wohl noch eine Requisite von Ekel-Alfred sein. Bisher hat man sie immer noch aufgehoben, aber eigentlich braucht man sie kaum noch.

Allerdings sehen wir ja oft in neu gedrehten Filmen über die Vergangenheit, dass solche Requisiten immer mal noch gebraucht werden. Ich glaube, ein Fernsehsender wird solch ein Kleinod kaum wegwerfen.

Kurz vorm Verabschieden entdeckten wir noch etwas Besonderes. Im Funkhaus gibt es noch einen Paternoster! Leider durften wir nicht damit fahren. Aber irgendwie ist selbst das Zuschauen faszinierend. Mein letztes Paternoster-Fahren ist fast 30 Jahre her. Einst in der früheren Stasi-Zentrale in Berlin, in dem die Zentrale Arbeitsverwaltung kurzfristig untergebracht war, habe ich mir öfter einen Spaß gemacht und bin sogar rundenweise übers Dach und durch den Keller gefahren.

Dieser Besuch beim WDR war äußerst interessant und hat mich in eine Welt geführt, die sich nicht alltäglich für Jedermann öffnet. Interessantes, Faszinierendes, Ungläubiges und manchmal auch etwas Entzauberndes habe ich erlebt.  

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