Nach drei Tagen bei herrlichstem Kaiserwetter auf der Skipiste war nun eine Pause angesagt: skifreier Tag.
Wir nutzten die Gelegenheit, um die Region etwas besser kennenzulernen.
Zunächst fuhren wir zum Naturparkhaus Kaunergrat. Auf dem Weg dorthin herrliche Serpentinen – und jetzt bei diesen Wetterverhältnissen waren die Straßen trocken und gut befahrbar.Vorbei kamen wir unter anderem an der Burg Bernbeck.
Das Naturparkhaus bot Interessantes. Zunächst erwartete uns von der Terrasse aus ein wundervoller Blick in die drei Täler Kaunertal, Inntal und Pitztal.
Im Naturparkhaus gibt es ein sehr schönes Museum über das Leben in der Region. Sehr anschaulich und interessant ist die Entwicklung der Täler dargestellt. Es lohnt sich, dort nicht nur wegen der einmalig schönen Sicht vorbeizuschauen.
Auf der Weiterfahrt mussten wir im kleinen Örtchen Fließ erst einmal anhalten. Nein, keine Kühe wurden über die Straße getrieben, aber deren „Abfälle“ mussten erst einmal verladen werden. Dazu stand der Traktor eben mal quer auf der ganzen Straße. Aber wir haben ja Urlaub…
Unser Ziel war der Reschenpass mit dem Reschensee in Italien.
Unterwegs kamen wir immer wieder an Skigebieten vorbei. Sie liegen gewöhnlich außerordentlich hoch, sodass trotz der sommerlichen Temperaturen noch gute Skiverhältnisse herrschten.
Am Reschensee gibt es einige Besonderheiten. Man hat einst das Wasser hier gestaut, um Energie zu erzeugen. Der Stausee ist 677 km² groß. Dazu wurde 1939 das schon 20 Jahre alte Projekt vorangetrieben und die Stauung von 5 auf 22 m hoch festgelegt. Die betroffenen Dörfer wurden alle per Gesetz platt gemacht und ohne Entschädigung zwangsenteignet.
Das alles passierte im 2. Weltkrieg, Südtirol und die Gemeinden waren alle machtlos. 1950 wurden dann alle Gebäude gesprengt und die Bevölkerung umgesiedelt. Die Folge war, dass ca. 70% der Bevölkerung abgewandert ist, 181 Wohn- und landwirtschaftliche Gebäude gesprengt wurden, 514 ha Kulturfläche ging verloren und die Nutztierhaltung ging um 70% zurück.
Als Mahnmal hat man jedoch den romanischen Kirchturm stehen gelassen, der heute je nach Füllstand des Stausees aus dem See herausragt.
Hier ein Blick über den See, der Kirchturm befindet sich links am Rande des Sees. Der Reschensee liegt übrigens in ca. 1500 m Höhe und dort entspringt die Etsch.
Unser Weg führte uns vorbei an Nauders. Dieses sogenannte Sperrfort Nauders wurde 1834 bis 1840 an der Passtraße über den Reschen nahe der mittelalterlichen Niklasmauer erbaut.
Es ist ein mächtiger, fünfgeschossiger Steinquaderbau mit Schießscharten und wurde als Straßensperre errichtet, um das Inntal vor möglichen Truppeninvasionen aus der Lombardei oder dem Engadin zu schützen. Die Festung Nauders ist die einzige noch vollständig erhaltene Befestigungsanlage aus dieser Zeit und dient heute als Militärmuseum, welches auch die Daueraustellung „Verkehr über den Reschenpaß“ und eine Ausstellung des Modellclubs Nauders enthält. Auch ein Panzergarten ist zu sehen.
Wir fuhren dann wieder zurück nach Österreich und in Richtung Sankt Moritz eine wunderschöne Passstraße. Sie war äußerst eng und das Kuriose war, dass es viele kleine Tunnel gab, die so eng waren, dass man immer vorher schauen musste, ob es Gegenverkehr gibt. Es hätten sich keine Autos drin begegnen können. Ich hatte im Auto das Gefühl, dass ein normaler Personenwagen durch so manchen Tunnel gerade so durchkommt. Plötzklich sahen wir jedoch einen Bus warten, der durch so ein Nadelöhr wollte. Wir waren äußerst verblüfft und fragten uns noch lange, wie der Fahrer das wohl schaffen wollte.
Hier der Blick auf die Gegenseite des Tals, durch diese Überbauten sollten wir dann auf der Rückfahrt fahren.
Unser Ziel war Samnauen, eine Enklave der Schweiz – unser dritter europäische Staat an diesem Tag. Es ist dort ein Einkaufsparadies für zollfreie Waren und ein Wintersportort. Mir war der ganze Rummel um die immer wieder gleichen Geschäfte mit Parfüm, Tabak, Spirituosen und ggf. auch mal sündhaft teuren Klamöttchen einfach zu viel. Interessiert hätte mich das Tanken. Aber dazu hätte ich mein Auto dabei haben sollen. 1,16 € für den Liter Diesel, das ist schon eine Hausnummer! Wir genossen ein schönes Mittagessen in der Sonne auf der „Schmuggleralm“. Eine schöne Gaststätte fürs Apres Ski – wir genossen aber eher die Sonne und das Essen.
Hier noch ein paar Impressionen von Samnauen:
Unsere Schmuggleralm-Gaststätte innen – äußerst urig und gemütlich!
Auf der Rückreise erwartete uns noch etwas Besonderes. Anton Wille – überall der Tony – hatte uns bereits Tage zuvor in sein „Flügelhaus“ eingeladen. Er ist ein Künstler – Musiker und Holzkünstler und sammelt seit vielen Jahren mit seinem Lehrmeister Flügel. Dafür baute er ein Haus, das die Form eines Flügels hat und dort stehen mehrere Flügel, die er auch bespielt. Wir erhelten eine Privatführung zu zweit. Tony erklärte uns die vielen Unterschiede der Flügel, dass manche nicht unbedingt Mozart-tauglich sind, andere weniger Beethoven-tauglich. Und er demonstrierte uns die Unterschiede, wie Flügel klingen können. Es war sehr interessant. Wer weiß schon, dass in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts innerhalb von gerade mal 47 Jahren 125.000 Flügel allein von Bechstein (65 T, Berlin) und Blüthner (60 T, Leipzig) gebaut wurden? Der Vorgänger des Flügels soll übrignes nicht das Cembalo oder ähnliche Instrumente gewesen sein, sondern das Hackbrett im 12. Jahrhundert.
Seine Flügel stammen aus dem 19.Jahrhundert. Bechstein 1873, Blüthner 1858 und dazu weitere Hersteller.
Der Meister selbst am Flügel – wir lauschten begeistert seinem Spiel.
Interessant waren auch einige Werte. Früher waren auf den Saiten ca. 8 Tonnen Zug, heute baut man Flügel mit ca. 25 Tonnen. Das ist erst möglich geworden, als Rahmen und streben aus Metall im Flügel verbaut wurden.
Auf Tonys Grundstück waren auch immer wieder Zeugnisse seiner Holzkunst zu sehen. Er baut Engel und viele Varianten davon und vieles mehr sehr phantasiereich. Hier einige Beispiele:
Der skifreie Tag war ein Kleinod an wissenswerten neuen Erfahrungen geworden. Interessant, lehrreich und vielfältig.